+++ Wird die Bevölkerung Friesenheims ausgetauscht? +++
Komische Frage? Die Vorstellung, dass die weiße Bevölkerung Europas gegen Einwanderer aus Afrika ausgetauscht wird, ist ein zentrales Projekt der sogenannten Identitären Bewegung.
Mit diesem irrwitzigen Narrativ hetzen deren Mitglieder den rechten Rand der Gesellschaft seit Jahren gegen Flüchtlinge und Muslime auf. Zwei Publizisten der Identitären Bewegung stellen ihr neuestes Buch auf Einladung der AfD Ortenau am Freitag, 23. März, ab 18.30 Uhr im Gasthaus „Krone“ in Friesenheim vor.
Während Friesenheim gerade ein Integrationskonzept erstellt und seine nationalsozialistische Vergangenheit aufarbeitet, glauben die Rechtsnationalen, die sich in der „Krone“ versammeln, an die „Umvolkung“ der weißen Rasse. Man muss kein Linker und erst recht kein „antifaschistischer Blockwart“ sein, wie Thomas Kinziger von der AfD das „Bündnis Aufstehen gegen Rassismus“ beschimpft, um sich solchem Unsinn mit lautstarkem Protest in den Weg zu stellen.
Was ist das für eine „Bewegung“, mit der nicht einmal der Bundesvorstand der AfD zusammenarbeiten will?
Sie ist seit dem 2014 als Verein beim Amtsgericht Paderborn eingetragen und zählt nur rund 500 Mitglieder, die sich in 15 Regionalverbänden organisieren. Ihr Vorbild ist der französische „Bloc Identitaire“. Im Internet und in sozialen Netzwerken, durch Musik, Poster, Aufkleber und weitere Accessoires geben sich die Identitären als hippe, coole und moderne Truppe. Zugleich wollen sie intellektuell wirken.
Durch die seit 2015 gestiegenen Flüchtlingszahlen sehen sich die Identitären in ihrer Paranoia bestätigt. Der Tenor der Kampagne, die mit Flugblättern, auf Twitter, Facebook und mit Demonstrationen betrieben wird, ist: Eine Elite, bestehend aus Politikern, Wirtschaftslobbyisten und Journalisten, plane und betreibe aktiv einen Austausch des „deutschen und des europäischen Volkes“ gegen ein wie auch immer geartetes anderes Volk. Deshalb gäbe es auch gar keine Flüchtlingskrise. Diese sei nur ein Vorwand, um einen Krieg gegen das eigene Volk zu führen. In einem Flyer, der auf Facebook verbreitet und in mehreren Städten verteilt wurde, heißt es: „Asylantenheime dienen nur vordergründig dem Wohl von Flüchtlingen. In erster Linie sind sie zur Bereicherung einiger weniger da.“ Wem das alles zu absurd klingt, der informiere sich auf deren Internetseiten selbst. Wir werden sie hier nicht verlinken.
Formal distanziert sich die Identitäre Bewegung zwar von Nationalsozialismus und Rassismus, aber durch die Betonung von Abstammung und Identität ergibt sich eine Nähe zum biologistischen Denken und der völkischen Ideologie von Rechtsextremisten. Die Bewegung propagiert die räumliche und kulturelle Trennung unterschiedlicher Ethnien, was der rechtsextremen „Blut und Boden“-Ideologie entspricht. Was früher Rasse hieß, nennen die Identitären heute „ethnokulturelle Identität“. Die Mitglieder der Gruppe werden wegen ihrer Radikalisierung in der Flüchtlingsfrage seit 2016 vom Verfassungsschutz beobachtet. Der begründet diese Maßnahme aber auch mit deren weiteren politischen Forderungen: Die Identitäre Bewegung warne vor Überfremdung und wolle eine „Festung Europa“ errichten. Entscheidend aber sei, dass sie grundlegende demokratische Prinzipien ablehne – dazu gehören auch Gleichberechtigung, Pluralismus und Menschenrechte.
Offensichtlich nimmt die AfD Ortenau an all dem keinen Anstoß. Wie schon mehrfach zuvor, verorten sich deren Mitglieder ungehemmt auf dem äußerst rechten Flügel der Partei.
In Friesenheim aber sollte man wissen, was das für Personen sind, die den idyllischen Ort inzwischen zum Zentrum ihrer völkisch-nationalen Aktivitäten gemacht haben.
Wehret den Anfängen!
OFFENNER BRIEF AN BÜRGERMEISTER WEIDE/ FRIESENHEIM
Offenburg, den 14. März 2018
An die Bewohnern von Friesenheim zur Information
Sehr geehrter Herr Weide, liebe Friesenheimer,
nach unseren Informationen soll auf Einladung des AfD-Kreisverbands Ortenau am Freitag, 23. März, im Hotel-Restaurant Krone in Friesenheim, ab 18.30 Uhr ein Vortrag mit Martin Lichtmesz und Caroline Sommerfeld stattfinden.
Martin Lichtmesz (richtiger Name: Martin Semlitsch, Jg. 1976) ist ein österreichischer Publizist und Übersetzer der Neuen Rechten. Er gilt als Sprachrohr der sogenannten Identitären Bewegung. Einer breiteren Öffentlichkeit ist er seit der Frankfurter Buchmesse im vergangenen Jahr bekannt, als es bei der Vorstellung seiner Kampfschrift „Mit Linken leben“ zu tumultartigen Szenen zwischen Anhängern der Identitären Bewegung und Gegenprotestlern kam. Im Laufe der Messe wurde auch ein Buchhändler von rechten Aktivisten niedergeschlagen.
Caroline Sommerfeld-Lethen (geb. Sommerfeld, Jg. 1975) ist eine deutsche Aktivistin der Wiener Identitären Bewegung. Bei der Podiums-Veranstaltung mit Verleger Götz Kubitschek, Semlitsch und Sommerfeld kam es auf der Frankfurter Buchmesse zu Protesten, bei denen die Rechten den Messedirektor, der die Veranstaltung beenden wollte, samt Wachschutz einfach von der Bühne drängten.
Beide sind zusammen mit Martin Sellner, der bei seiner illegalen Einreise nach Großbritannien jüngst verhaftet worden ist, wichtige Netzwerker der rechten Bewegung im deutschsprachigen Raum. Es geht bei dem Protest gegen diese Umtriebe darum, die Standards der Demokratie zu verteidigen, Freiheit, Respekt oder Menschlichkeit, weil nur so die rhetorische Landnahme der Rechten gestoppt werden kann. Es geht um die wehrhafte Demokratie, als die die Republik nach dem Krieg geformt wurde. Und es geht auch um die Frage, wie eine freie Gesellschaft mit ihren Feinden umgeht, wie sehr sie in der Lage ist, sich mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung stehen, zu verteidigen.
Die Veranstaltung in der „Krone“ ist nicht öffentlich – die Anmeldung zu ihr erfolgt an die Mail-Adresse „anmeldung(at)antaios.de“ und läuft demnach über den Antaios-Verlag des ultrarechten Verlegers Götz Kubitschek. Die Lesung in Friesenheim mit anschließender Diskussion ist somit Teil eines weiteren Rechtsrucks der AfD Ortenau. Gehören schon jetzt die prominenten AfD-Akteure der Region zum rechtesten Flügel der Partei, bereiten die AfD-Abgeordneten Thomas Seitz und Stefan Räpple eine noch intensivere Zusammenarbeit mit rechtsradikalen Kräften in Deutschland und Österreich, wie der Identitären Bewegung oder den rechten Burschenschaften in Freiburg, vor. Am 10. März fand auf Einladung des AfD-Kreisverbands Ortenau in Offenburg die Gründungsversammlung eines dritten AfD-Ortsverbands statt. Stimmberechtigt waren Mitglieder der Städte und Gemeinden Offenburg, Schutterwald, Hohberg, Oberkirch, Lautenbach, Durbach, Ortenberg, Ohlsbach, Berghaupten und Neuried.
In Friesenheim trifft sich die AfD seit langem regelmäßig: Das Zusammenrücken mit der rechtsradikalen, wegen ihrer verfassungsfeindlichen Umtriebe vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung in Friesenheim markiert einen weiteren Höhepunkt beim Marsch der AfD Ortenau in das äußerst rechtsextreme Lager. Die Gründung eines weiteren Ortsverbandes in der Kreisstadt Offenburg darf als Kampfansage an die demokratischen Kräfte der Region verstanden werden. Das Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus Offenburg“ wird sich dieser Entwicklung auch weiterhin laut und kraftvoll entgegenstellen.
Wir fordern den Bürgermeister, den Gemeinderat sowie die Bürger von Friesenheim auf, diesem Treiben rechtsextremer Kräfte in ihrer Gemeinde nicht länger tatenlos und schweigend zuzusehen. Wir haben unsere Eltern und Großeltern gefragt, wie es 1933 zum Aufstieg der Nationalsozialisten kommen konnte, und wir sollten uns jetzt erheben, wenn wir von unseren Kindern und Enkelkindern nicht ähnliche Fragen gestellt bekommen möchten.
Wehret den Anfängen!
Mit solidarischem Gruß
Aufstehen gegen Rassismus Offenburg
Stellungnahme von Bürgermeister Erik Weide zum offenen Brief des Bündnis
„Aufstehen gegen Rassismus Offenburg“ vom 14.03.2018.
Die europaweite Ausbreitung des rechten Populismus bereitet auch mir Sorgen. Ich
teile auch die Meinung des Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus Offenburg“, dass
die Auftritte von Martin Lichtmesz und Caroline Sommerfeld-Lethen im Rahmen einer
AfD-Veranstaltung als Signal verstanden werden können und sich die AfD Ortenau
deutlich als rechte Kraft positioniert.
Ich selbst bin als unparteiischer Kandidat hier in Friesenheim angetreten.
Programme Handlungen oder Stellungnahmen von Parteien auf Bundes- oder
Landesebene werde ich nicht kommentieren. Meine Aufgabe ist es für alle
Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Friesenheim bestmögliche Lösungen und
Angebote zu suchen. Dabei ist es unerheblich welcher Partei sie angehören.
Meiner Meinung nach muss eine wehrhafte Demokratie auch Meinungen außerhalb
der Mitte, ob rechts oder links, aushalten und diskutieren. Dies geschieht in allen
Bereichen der Gesellschaft, sowohl in den Vereinen, bei Veranstaltungen als auch
auf der Straße. Protestveranstaltungen sind hier nur ein kleiner Teil des möglichen
Spektrums.
Der Brief des Bündnis „Aufstehen gegen Rassismus Offenburg“ wurde den
Gemeinderäteinnen und Gemeinderäten weitergeleitet. Natürlich steht es jedem
Gemeinderat frei, sich am öffentlichen Protest zu beteiligen. Ebenso stelle ich jedem
Mitarbeiter der Gemeinde Friesenheim frei, sich diesem öffentlichen Protest
anzuschließen.
Letztendlich sprechen wir über eine nichtöffentliche Veranstaltung einer legitimierten
Partei, in einer privaten Räumlichkeit. Die Verfassungskonformität von Parteien
überprüft der Verfassungsschutz. Über die Vermietung der Räume entscheidet der
Eigentümer oder der Pächter. Von Seiten der Gemeinde sind hier keine Eingriffsoder
Entscheidungskompetenzen vorhanden.
Friesenheim 19.03.2018 Erik Weide
Pressemitteilung vom 23.März 2018
Großer Andrang war bei der Lesung der Identitären Bewegung am Freitagabend in Friesenheim nicht festzustellen. Nur wenige Gestalten betraten verhuscht das Gasthaus Krone, darunter die üblichen Verdächtigen wie der Offenburger AfD-Stadtrat Taras Maygutiak und seine Kameraden. Vielleicht sind den Friesenheimern aber die streng gescheitelten und hip gekleideten Burschen aufgefallen, die zu dritt am Ortseingang vorbeifahrende Fahrzeuge beobachteten und auch fotografierten. Später standen sie dann gegenüber der „Krone“ und bewachten den Eingang. Auch die Polizei patroulierte den ganzen Abend über mit mehreren Fahrzeugen durch den Ort und immer wieder vorbei an der „Krone“: Ausnahmezustand in Friesenheim!
Nur die Friesenheimer selbst waren nicht zu sehen. Offensichtlich interessiert es sie nicht, oder es ist ihnen egal, welche politischen Kräfte sich in ihrer Ortsmitte immer wieder versammeln und die Abschaffung unserer Demokratie vorbereiten. Wenigstens diejenigen, die sich gerade damit beschäftigt haben, die NS-Vergangenheit der Region in einer Übersetzung aufzuarbeiten, sollten ja doch wissen, welche Parallelen es zu Anfängen der NS-Diktatur in der Dreißigern Jahren des letzten Jahrhunderts sich feststellen lassen. Will man sich darüber denn erst wieder in der übernächsten Generation empören? Sollte man nicht das aus der Beschäftigung mit der deutschen Geschichte gelernt haben, dass man sehr frühzeitig aufstehen und laut Widerstand leisten muss, so frühzeitig, dass sich das Schlimmste noch verhindern lässt?