
Erneut ist Stadtrat Fritz Düker nach Russland gereist. Am 9. Mai hat er mit einer Reisegruppe in Moskau an der Militärparade teilgenommen, bei der Putin seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit der Befreiung Europas vom Nationalsozialismus gleichsetzte. Wie er in seinem Telegram-Kanal mitteilt, verlief die Reise mit dem Flugzeug über Istanbul und dauerte wohl acht Tage (vom 4. bis zum 12. Mai 2025). Anmeldeschluss war der 20. April, der Geburtstag Adolf Hitlers, bis zum 21. März konnte man sich einen Frühbucherrabatt von 200 Euro sichern. Dieses Mal reiste Düker mit einem Reichsbürger, den der Verfassungsschutz als demokratiegefährdenden Verbreiter antisemitischer Verschwörungsideologien einstuft.
Laut Veranstalter diente die „Versöhnungsmission“ dazu, „die energetischen Wunden des Zweiten Weltkriegs zu heilen“ und „eine Heilung der kollektiven deutschen Seele“ zu bewirken. Die Reise sollte „die kollektive Schuld und das Leid transformieren“ und „eine neue Basis für Frieden und Zusammenarbeit schaffen“. Der Zweck der Reise entspricht damit exakt der 2017 erhobenen Forderung des Faschisten Bernd Höcke nach einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ in Deutschland: „Die Reise soll dazu beitragen, das nationale Selbstwertgefühl der Deutschen zu stärken, das durch die Geschichte des Zweiten Weltkriegs beschädigt wurde“, heißt es auf der Internetseite.
Mit solchen Forderungen nach einem Ende des sogenannten „Schuldkults“ wollen die Neuen Rechten die nach 1945 entstandene Erinnerungskultur zu den Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands beseitigen, besonders das Gedenken an den Holocaust. Der Begriff ist Teil eines Geschichtsrevisionismus, der die deutsche Verantwortung für die NS-Verbrechen und deren Folgen abwertet, leugnet oder verharmlost.
Der von Rechtsextremisten angeprangerte „Schuldkult“ stellt die Erinnerung an die NS-Zeit als Unterdrückung Deutschlands dar, die künftige Generationen angeblich mit einer Kollektivschuld belastet, ihren „Nationalstolz demütigt“ und eine „selbstbestimmte Zukunft“ verhindert. In Verbindung damit werden die NS-Verbrechen häufig gegen Kriegsverbrechen der Alliierten im Zweiten Weltkrieg aufgerechnet. Düker selbst empfiehlt ein rechtsextremes Buch mit diesem Inhalt in seinem Telegram-Kanal „Aufklärung/Wahrheit“.
Während Düker seine Russlandfahrt 2024 mit Druschba und den rechten Anastasia-Freunden Reinhold Groß und Inge Moser aus Hohberg unternahm (wir haben darüber berichtet), war er diesmal mit dem antisemitischen Reichsbürger Wjatscheslaw Wasiljewitsch Seewald aus dem Ostallgäu unterwegs. Der national-konservative Putin-Anhänger (geb. 1985 in Sibirien), der eigentlich Walter Seewald heißt, bezeichnet sich selbst als "Experte für Menschheitsführung" und "russisch-germanischen Zukunftsforscher". Sein selbsterklärtes Ziel ist es, das aus dem antisemitischen Anastasia-Kult bekannte „arisch-wedische Reich“ wieder aufzubauen.
Seine „Seewald-Akademie“, die mit teuren Seminaren und Vorträgen eine zutiefst verschwörungsideologisch geprägte, rassistische und antisemitische Weltsicht in Umlauf bringt, steht seit vielen Jahren unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Seewald gibt vor, „über Elitewissen und vermeintlich geheime Kenntnisse zu verfügen. Seine angeblichen Sachkenntnisse über die Geschehnisse auf der Welt habe er eigenen Angaben zufolge durch seine Ahnen, sein ‚wedisches Wissen‘ sowie seine Naturverbundenheit erlangt“, heißt es 2021 in den Informationen der Behörde aus Bayern.
Die Organisation "Gerussia", mit der Düker unterwegs war, ist nur oberflächlich ein deutsch-russisches Freundschaftsbündnis. Der bayerische Verfassungsschutz spricht von einer Verschwörungstheorie „Gerussia“, die Seewald entwickelt habe: „Im Kern handelt es sich dabei um eine Vermischung der beiden Verschwörungstheorien der ‚jüdischen Weltverschwörung‘ und des ‚Bevölkerungsaustausches‘. Die angeblich bevorstehende Vernichtung des deutschen Volkes könne, so die These Seewalds, nur durch eine Verbrüderung der beiden Staaten Russland und Deutschland abgewendet werden.“
In seinen Videos und auf den Reisen des slawisch-arischen „Gerussia“-Organisation verbreitet Seewald die antisemitische Verschwörungserzählung, dass dem angeblich bevorstehenden Ende des deutschen Volkes durch eine vermeintliche „jüdische Weltverschwörung zur Vernichtung der weißen Rasse“ nur durch eine Verbrüderung des deutschen und russischen Volkes begegnet werden könne – das hat Stadtrat Düker nicht davon abgehalten, unter der Flagge des slawisch-arischen „Gerussia“-Bündnisses nach Moskau zu reisen: Diese zeigt je zur Hälfte die russische und die auf dem Kopf stehende deutsche Fahne. Die Umkehrung der Farben zu gold-rot-schwarz statt schwarz-rot-gold ist ein bekanntes Symbol der Reichsbürger-Szene – wie aktuell im Wappen des frisch verbotenen „Königreich Deutschland“ mit dem selbst ernannten Reichsbürgerkönig Peter I. Fitzek zu sehen.
Um einem Pakt zwischen vermeintlichen Ariern und Slawen und einem Europa ohne Ausländer, queere Menschen oder Juden näher zu kommen, setzt Seewald in seiner Propaganda auf die Querdenken-Bewegung sowie auf die AfD und ihr politisches Umfeld. Und dazu gehört inzwischen auch Dentalchirurg Fritz Düker, der sich – wie ein Telegram-Video zeigt – nicht entblödete, vor dem russischen Kriegerdenkmal in Rzhew auf die Knie zu fallen, wie es 1970 Willy Brandt vor dem Ehrenmal für die Helden des Warschauer Ghettos in Polen tat.
Über seinen Telegram-Kanal mit rund 10.000 Followern verbreitete Seewald 2023 einen Spendenaufruf für Martin Sellner, den rechtsextremistischen Chef der sogenannten Identitären Bewegung. Im selben Jahr wurde gegen ihn ermittelt, weil er auf Reichsbürgerdemonstrationen in Köln und Berlin die Bundesregierung als Nachfolger der Nazi-Diktatur beschimpfte. Ende Februar 2025 wurde der Putin-Propagandist vom Amtsgericht Kempten schließlich wegen Volksverhetzung und Billigung des russischen Angriffskriegs zu einer Geldstrafe in Höhe von 14.400 Euro verurteilt (laut eigener Aussage 240 Tagessätze zu 60 Euro) – damit ist er vorbestraft. In einem Video behauptet Seewald, dass sein Strafverfahren ein politischer Prozess gewesen sei: Das behauptet auch Düker von seinen Niederlagen vor Gericht.
Der Offenburger Stadtrat ist mit seiner Russlandreise im Mai 2025 vollständig im Verschwörungskontext und im rechtsextremistischen Lager angekommen: Bei ihm verfängt nicht nur die rechte Propaganda aus verschiedenen Kanälen, sondern er verbreitet sie auch selbst. Wir fragen uns daher, ob Düker noch für das Amt eines Stadtrats geeignet ist.