Offener Brief an die Hochschule Kehl

Am Wochenende hat der ehemalige AfD-Chef Jörg Meuthen seine Rückkehr an die Verwaltungshochschule Kehl angekündigt. Wir fragen die Verantwortlichen in einem offenen Brief, wie sie verhindern wollen, dass die Studierenden künftig von einem Rechtsextremisten unterrichtet werden.

 

 

An die
Mitglieder von Rektorat, Hochschulrat, Senat und sonstige Funktionsträger der
Hochschule für öffentliche Verwaltung (University of applied Sciences)
Kinzigallee 1
77694 Kehl

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

am 9. Juni 2024 findet die Europawahl statt, die für eine Grenzstadt wie Kehl, in unmittelbarer Nähe zum Sitz des Europäischen Parlamentes in Straßburg, eine besondere Bedeutung hat.

Der ehemalige Bundessprecher der AfD, Herr Professor Dr. Jörg Meuthen, wird nicht noch einmal einen Sitz im Europäischen Parlament erlangen. Es ist daher möglich, dass er in den Beruf zurückkehren möchte, den er vor seinem Ausflug in rechte und rechtspopulistische Politik ausgeübt hat: Meuthen war bis 2016 Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl, bevor er für die AfD in den baden-württembergischen Landtag und schließlich 2017 in das Europäische Parlament gewählt wurde – zunächst als Mitglied der Fraktion „Europa der Freiheit und der direkten Demokratie (EFDD)“ und dann als Mitglied und stellvertretender Vorsitzender der Fraktion „Identität und Demokratie (ID)“ (bis 2022).

Aufgefallen ist Meuthen dort unter anderem durch einen Entschließungsantrag seiner rechtsextremen Fraktion zur Aufnahme der „Antifa-Bewegung“ in die EU-Terroristenliste (B9-0168/2020) sowie durch einen Entschließungsantrag mit dem Vorschlag, Donald Trump den Friedensnobelpreis zu verleihen (B9‑0256/2020), den bekanntermaßen das Europäische Parlament gar nicht vergibt.
Am 15. Februar 2022 entzog ihm das Europäische Parlament mit großer Mehrheit die parlamentarische Immunität. Dies hatte die Berliner Staatsanwaltschaft beantragt, um ein Strafverfahren wegen einer Spendenaffäre einzuleiten.

Inzwischen ist Meuthen aus der vom Verfassungsschutz als weitgehend rechtsextremistisch einzustufenden AfD sowie aus den rechtsextremen Fraktionen im Europäischen Parlament ausgetreten. Erst als Meuthen realisierte, dass er mit seinen libertären Vorstellungen im innerparteilichen Machtkampf immer weiter an Boden verlor, hat er die rechtsextremen Tendenzen in der AfD als Problem öffentlich benannt und attackiert. Nachdem er erkannte, dass es für seinen Kurs der strategischen Mäßigung in der AfD keine Zukunft gab, hat er seinen Rücktritt vom Parteivorstand angekündigt, auch um seiner wahrscheinlichen Abwahl auf dem Bundesparteitag im Dezember 2021 zuvorzukommen. Seither versucht Meuthen, sich als letzten moderaten Sprecher in der AfD zu porträtieren, nach dessen Abgang nur noch Rechtsextreme übrigblieben.

Sein Bestreben, ein eher gemäßigtes Image zu pflegen, wurde jedoch schon 2017 als ein taktisches Manöver gewertet, als seine Unterstützung radikaler AfD-Mitglieder noch deutlich erkennbar war. Der Politikwissenschaftler Hajo Funke sagte 2020, Meuthen sei ein Verwandlungskünstler, je nach Anlass könne er gemäßigt oder radikal auftreten. Meuthen sehe „Einwanderung als gefährlich an“ und er begreife „sie in der Regel als kulturfremd“. Nach Meuthens Austritt aus der AfD kommentierte Lothar Lenz, Meuthen sei „ein notorischer Provokateur“, „nur im Schafspelz bürgerlicher Freundlichkeit“. Er habe „selbst immer wieder Hass und Hetze verbreitet – weil genau das das Kapital ist, aus dem seine Partei Wählerstimmen macht“. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder sprach sogar davon, dass Meuthen die Rechten in der AfD erst hoffähig gemacht und dann vor ihnen kapituliert habe. Niemand habe „so präzise, so beeindruckend die Selbstverharmlosung dieser Partei im öffentlichen Raum betrieben wie er“ (sämtliche Nachweise im Wikipedia-Artikel zu Jörg Meuthen). Jüngst kam Meuthen sogar in einer Fernsehdokumentation über AfD-Aussteiger zu Wort.

Auf uns wirkt all dies wenig glaubwürdig, denn Meuthen hat sich stets schützend vor die rechtsextremen Vertreter seiner Partei gestellt, zum Beispiel mit dem mehrfach geäußerten Hinweis, dass er als Bundessprecher nicht „jeden Satz verteidige, den irgendjemand in der AfD gesagt hat“. Er hat damit den Rechtsextremisten in der AfD zum Durchmarsch verholfen.

Wir glauben, dass Jörg Meuthen in den vergangenen Monaten versucht, seinen Ruf wiederherzustellen, um seine Rückkehr an die Verwaltungshochschule Kehl vorzubereiten, auch wenn er das im vergangenen Jahr noch bestritten hat. Wir möchten mit diesem Schreiben daher ein Nachdenken und eine öffentliche Diskussion darüber anstoßen, ob Meuthen nach seiner politischen Karriere am äußerst rechten, ja rechtsextremen Rand unserer Gesellschaft wieder als Lehrer an einer Hochschule des Landes Baden-Württemberg arbeiten kann und soll.

Deshalb fragen wir die Leitungsgremien der Verwaltungshochschule Kehl mit diesem öffentlichen Brief, wie sie zu einem solchen Ansinnen stehen und ob es an der Hochschule eine Strategie gibt, die Rückkehr Meuthens in den Unterricht mit jungen Menschen zu verhindern. Ein Rechtsextremist sollte nicht Hochschullehrer sein, schon gar nicht an einer Hochschule für öffentliche Verwaltung.

Wir freuen uns auf eine Antwort von Ihnen.